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04-05-2020

Bahnbrechendes NCC-Urteil über Break-up Fees in Corona-Zeiten

Vor einigen Tagen hat der Netherlands Commercial Court (NCC) [englischsprachiges Handelsgericht in den Niederlanden] ein interessantes Urteil über eine in einer abgebrochenen M&A-Transaktion vereinbarte Break-up Fee erlassen. Es handelte sich um den geplanten Verkauf von 50% der Anteile an der Global Champions Tour, eine weltbekannte Springsport-Serie, die normalerweise um die ganze Welt reist. Wie es aber für alle anderen großen Sport-Events gilt, ist auch das Springreiter-Spektakel aufgrund von Regierungsmaßnahmen im Zusammenhang mit COVID-19 zeitweise ‘on hold’ gesetzt. Das Urteil ist das erste, das sich während der derzeit herrschenden Pandemie mit den Folgen eines abgebrochenen M&A Deals befasst.

Die Global Champions Tour ist Eigentum zweier Parteien, wovon die eine ein amerikanisches Großunternehmen ist. Dieses US-Unternehmen beabsichtigte ihr 50%-Anteil an einen niederländischen Käufer zu verkaufen. Dazu haben die Parteien im Dezember letzten Jahres einen Letter of Intent unterschrieben, in dem ein Kaufpreis in Höhe von 169 Millionen Euro, aber auch ein Rücktrittsrecht für beide Parteien bis zum 2. März 2020 mit Zahlung einer Break-up Fee von 30 Millionen Euro, vereinbart wurde. Der US-Verkäufer unterschrieb alle entsprechenden Transaktionsunterlagen, der niederländische Käufer nicht und zog sich von der Transaktion zurück.

In (niederländischen) M&A-Transaktionen sind Vereinbarungen von Break-up Fees nicht ungewöhnlich. Die Break-up Fee war im vorliegenden Fall jedoch höher als üblich für eine Transaktion dieser Art und Größe. Grund dafür war, dass die Parteien sicher gehen wollten, dass der Deal auch wirklich geschlossen wurde. Ein Rücktritt war also erlaubt, aber nur zu einem erheblich hohen Preis.

Der amerikanische Verkäufer verklagte daraufhin den niederländischen Käufer in einem Klageverfahren vor dem NCC auf Zahlung des Kaufpreises und hilfsweise auf Zahlung der Break-up Fee.

Nicht überraschend wies das Gericht die erste Klage ab, da der Käufer den endgültigen Kaufvertrag ja noch nicht unterschrieben hatte. Aber interessant wird es bei der sekundären Klage auf Zahlung der Break-up Fee. Ist eine Break-up Fee in den derzeitigen Turbulenzen noch gerechtfertigt? Oder sollte sie in irgendeiner Weise geändert, gemildert oder reduziert werden? Oder sollte sogar die gesamte Fee-Vereinbarung aufgelöst werden?

Der NCC urteilte, dass Verträge aufgrund des Grundsatzes der Privatautonomie bzw. der Vertragsfreiheit, im Allgemeinen so eingehalten werden sollten, wie es zwischen den Parteien vereinbart wurde. Gerichtliche Einmischung in die Vertragsabwicklung ist nach niederländischem Recht lediglich erlaubt zur Abwendung unakzeptabler (onaanvaardbaar) Folgen, welche nach den Maßstäben der Angemessenheit und Billigkeit (redelijkheid en billijkheid) bewertet werden.

Verständlicherweise gibt es bislang zu COVID-19 noch keine etablierte Rechtsprechung. Was die Break-up Fee anbelangt, verfolgte der NCC einen “Share the Pain”-Ansatz, der das ursprüngliche Gleichgewichtsverhältnis zwischen den Vertragsparteien unter den aktuellen, neuen Umständen bewahren sollte. Die Parteien haben die Break-up Fee ausdrücklich vereinbart, weshalb sie nicht leicht zur Seite geschoben werden kann.

Der NCC urteilte somit, dass die Break-up Fee aus den nachfolgenden Gründen vollständig zu zahlen ist:

  1. Die Break-up Fee verteilt die Risiken, sie ist keine Strafe. Und das Gericht fährt stark alliterierend fort: “Vielmehr ist sie ein Anreiz. Sie ist eine Option. Sie drückt ein Commitment aus. Sie verschafft Sicherheit. Sie wirkt beruhigend. Sie ruft Zuversicht hervor. Sie stellt das Vertrauen wieder her.” (“Instead, it’s an incentive. It’s an option. It expresses commitment. It reassures. It comforts. It engenders confidence. It restores trust.”) Es liegt im freien Willen jeder Partei, den Deal zu schließen oder davon zurückzutreten und die Fee zu zahlen.
  2. Die Break-up Fee begrenzt das potenzielle Risiko für den Käufer auf 30 Millionen Euro, während das Verlustrisiko für den Verkäufer viele Male größer ist, da er einen deutlich höheren Betrag von 169 Millionen Euro erhalten hätte, wenn er seine Anteile hätte verkaufen und übertragen können.
  3. Die COVID-19-Umstände sind so außergewöhnlich und geschäftsschädigend, dass es schwer zu sagen ist, ob sie in einem Vertrag oder wie im vorliegenden Fall in dem Letter of Intent vorgesehen waren.
  4. Andrerseits sind die COVID-19-Umstände im vorliegenden Fall nicht derart, dass es nach den Maßstäben der Angemessenheit und Billigkeit unakzeptabel ist, die vollständige Break-up Fee zu beanspruchen. Der Grund dafür ist, dass es im freien Willen der Parteien lag, zwecks Allokation und Einschränkung des Risikos eines Transaktionsabbruchs, eine solche hohe Break-up Fee zu vereinbaren.

Auch spielten im vorliegenden Fall einige zusätzliche Umstände eine Rolle, unter denen die Tatsache, dass beide Parteien Erfahrung mit M&A-Transaktionen hatten und von kompetenten Fachberatern beraten wurden. Darüber hinaus hatte der potenzielle Verkäufer nach Ansicht des NCC nicht nur die Möglichkeit verloren, seine Anteile zu verkaufen, sondern musste er sich nun auch mit den schwierigen Umständen rund um das Unternehmen, das er zu verkaufen beabsichtigte, befassen.

Obwohl dieses Urteil stark von den besonderen Umständen dieses Einzelfalls abhängt, wird hier bestätigt, dass eine Break-up Fee nach niederländischem Recht ein solides Vertragsinstrument sein kann. Dies heißt allerdings nicht, dass solche vertraglichen Bestimmungen jederzeit erzwingbar sind. Unter anderen Umständen könnte ein solches Vorgehen unangemessen sein. Der NCC hat mit diesem Urteil einige nützliche Hinweise und Fingerzeige gegeben. Ob diese in einem Einzelfall anwendbar sind, wird man von Fall zu Fall prüfen müssen.

Abgesehen davon, dass dies die erste niederländische Rechtsprechung zu COVID-19 ist, ist dieses Urteil ein ausgezeichnetes Beispiel für die schnelle und klare, aber auch sehr gründliche Arbeitsweise des NCC, das neue internationale Handelsgericht in den Niederlanden zur Beilegung von zivilrechtlichen Handelsstreitigkeiten in englischer Sprache.   

Sollten Sie weitere Informationen zu diesem Thema benötigen oder Fragen dazu haben, stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

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