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19-09-2023

Beitreibung von Handelsforderungen in den Niederlanden

Dieser Beitrag ist eine Zusammenfassung des englischsprachigen Beitrags „Recovery of Trade Debts (Netherlands)“, welchen unser German-Desk-Kollege Silvan Boonstra zusammen mit anderen Kollegen für Thomson Reuters geschrieben hat.

Den vollständigen (englischen) Beitrag finden Sie hier:

https://www.burenlegal.com/en/news/recovery-trade-debts-netherlands

Die Verwaltung ausstehender Handelsforderungen im Rahmen von Business-to-Business-Transaktionen erfordert die Nutzung verschiedener Optionen, um die rechtzeitige Zahlung sicherzustellen. Im Folgenden werden die wichtigsten Strategien näher erläutert:

  1. Zahlungserinnerungen: Der Prozess beginnt mit freundlichen Mahnungen, um Schuldner zur Begleichung ausstehender Rechnungen aufzufordern. 
  2. Formelle Briefe: Bleiben Mahnungen erfolglos, ist der Übergang zur formellen Kommunikation unerlässlich. Ein sorgfältig formuliertes Schreiben, in dem die Einzelheiten der Forderung und die Folgen einer Nichtzahlung dargelegt werden, setzt ein deutliches Zeichen.
  3. Inkassokosten und gesetzliche Zinsen: Die Kenntnis des rechtlichen Rahmens ermöglicht es den Gläubigern, die Inkassokosten und die gesetzlichen Zinsen in Übereinstimmung mit den Vorschriften zu berechnen, um eine angemessene Entschädigung für die aufgewendete Mühe zu gewährleisten. Nach niederländischem Recht beträgt der gesetzliche Zinssatz für kommerzielle Geschäfte 10,5 %, während für nicht-kommerzielle Geschäfte ein Satz von 4 % gilt.
  4. Zahlungsabwicklung: Das Angebot flexibler Zahlungsmodalitäten zeigt die Bereitschaft zur Zusammenarbeit und zielt auf eine vollständige Rückzahlung innerhalb eines vereinbarten Zeitrahmens ab.
  5. Inkassobüros: Die Beauftragung professioneller Inkassobüros kann ein strategischer Schritt sein, um den Prozess der Forderungseintreibung zu eskalieren. Diese Agenturen sind auf den Umgang mit komplexen Situationen spezialisiert und wenden wirksame Taktiken zur Forderungseintreibung an.
  6. Gerichtliche Verfahren: Als letztes Mittel ist die Einleitung eines Gerichtsverfahrens erforderlich, um die Zahlung durchzusetzen. Dies erfordert eine sorgfältige Vorbereitung und die Einhaltung der rechtlichen Protokolle. Die Gerichtsgebühren hängen vom Wert der Forderung ab. In den Niederlanden beispielsweise beträgt die Gerichtsgebühr bei Streitigkeiten mit unbestimmtem Wert 676 €.

Verhalten im Vorfeld einer Klage:
Bevor rechtliche Schritte eingeleitet werden, ist es wichtig, sich an das Verhalten vor der Klageerhebung zu halten. Dazu gehört das Versenden einer förmlichen Zahlungserinnerung mit genauen Angaben wie Rechnungsnummern, ausstehenden Beträgen und Zahlungsfristen. Diese Mahnung kann in Form eines Einschreibens, eines Briefes oder einer Postwurfsendung erfolgen. Es ist wichtig, dass der Gläubiger nachweisen kann, dass das Schreiben den Schuldner erreicht hat.  Die Nichteinhaltung dieser Anforderungen kann spätere rechtliche Schritte behindern.

Verjährungsfrist:
Die übliche Verjährungsfrist beträgt 5 Jahre, in einigen Fällen kann sie jedoch bis zu 20 Jahre betragen. Handlungen, die die Verjährung unterbrechen, wie z. B. ein Schreiben oder ein Einschreiben des Gläubigers an den Schuldner, können diese Frist verlängern und den Gläubigern zusätzliche Zeit für die Geltendmachung ihrer Ansprüche verschaffen.

Zuständiges Gericht:
Für gerichtliche Beitreibungsverfahren sind die Bezirks- oder Zivilgerichte zuständig. Das Bezirksgericht ist für Fälle bis einschließlich 25.000 EUR und für alle Mietsachen zuständig, unabhängig von der Höhe der Forderung. Das Zivilgericht ist für Forderungen über 25.000 EUR oder mit unbestimmtem Wert zuständig.

Gerichtsverfahren:
Nachdem der Gläubiger eine Mahnung mit einer Mindestfrist von fünf bis sieben Tagen verschickt hat, sollte er die Forderung an einen Anwalt schicken, der das Verfahren einleitet. Der Anwalt schreibt dann einen Mahnbescheid und führt, falls gewünscht, eine Pfändung durch, um die Forderung vom Schuldner bezahlen zu lassen.

Zustellung:
Wenn der Anwalt eine Klage verfasst, stellen der Gerichtsvollzieher aus dem KBvG-Register (auf Niederländisch: Konink Beroepsorg Van Gerechtsdeurwaarders, auf Deutsch: Der Königliche Berufsverband der Niederländischen Gerichtsvollzieher) diese persönlich zu. Die einzige Voraussetzung dafür ist, dass die Klage dem Gericht vor dem ersten Klagetermin zugestellt wird.

Die Klageschrift sollte den Wohnsitz des Klägers, die Anschrift der Bevollmächtigten und Anwälte, die Forderung und die Begründung, den Verhandlungstermin und die Bezeichnung des Gerichts enthalten. Der Beklagte muss entweder auf die Klage reagieren oder dem Gericht seine Absicht mitteilen, sich zu verteidigen. Reagiert der Beklagte nicht, kann der Richter ein Versäumnisurteil erlassen.

Gebühren:
Sowohl der Kläger als auch der Beklagte müssen Gerichtsgebühren entrichten. Der zu zahlende Betrag hängt von verschiedenen Faktoren ab, z. B. von der Art des Falles, dem Streitwert und dem Einkommen der Partei.

Zustellung:
In den Niederlanden stellt der Gerichtsvollzieher die Ladung zu. Nachdem der Anwalt die Klage verfasst hat, wird sie an einen Gerichtsvollzieher aus dem Register des KBvG, des niederländischen Verbands der Gerichtsvollzieher, geschickt, der sie dem Beklagten persönlich zustellt.

Die einzige Verfahrensvorschrift besteht darin, dass das Gericht benachrichtigt werden muss und dass die Ladung vor dem Termin an das Gericht geschickt werden muss. In Zivilsachen muss die Ladung spätestens eine Woche vor dem ersten Termin durch einen Gerichtsvollzieher zugestellt werden. Die gängigste Form der Zustellung ist die Übersendung der Ladung an den Wohnsitz oder den Geschäftssitz des Beklagten. Die Anforderungen an die Ladung finden sich in Artikel 111 der niederländischen Zivilprozessordnung (Wetboek van Burgerlijke Rechtsvordering).

Verteidigung:
Die Frist für eine erste Erwiderung beträgt mindestens eine Woche nach Zustellung der Klage. In der Regel wird jedoch eine Frist von einigen Wochen angesetzt. Der Beklagte sollte entweder vor Ablauf der Frist antworten oder zumindest das Gericht vor Ablauf der Frist davon in Kenntnis setzen, dass er eine Verteidigung anstrebt. In letzterem Fall räumt das Gericht dem Beklagten eine Frist von bis zu sechs Wochen ein, um auf die Klage zu reagieren. Der Beklagte kann auch eine Fristverlängerung beantragen.

Stimmt der Antragsgegner dem Mahnbescheid zu, kann er mit einem Schreiben antworten, dass er die Forderung anerkennt. Bestreitet der Beklagte die Forderung, muss der Anwalt des Beklagten eine Klageerwiderung einreichen, in der er die Gründe darlegt, aus denen das Gericht die Forderungen des Klägers zurückweisen sollte. Der Beklagte kann in der Klageerwiderung auch eine Widerklage einreichen, wenn er eine Forderung gegen den Kläger hat.

Wenn der Beklagte nicht antwortet, erlässt der Richter ein Versäumnisurteil. Der Beklagte kann das Versäumnisurteil jedoch noch aufheben, indem er den Kläger vor das gleiche Gericht lädt. Die Frist beträgt vier Wochen, nachdem entweder (i) das Versäumnisurteil dem Beklagten zugestellt wurde oder (ii) der Beklagte eine Handlung vorgenommen hat, die beweist, dass er von der Existenz des Versäumnisurteils Kenntnis hatte. In der Ladung zum Einspruch legt der Beklagte seine Einsprüche ein.

Spätere Stadien des Verfahrens:
Nach dem Vorbringen der Verteidigung entscheidet das Gericht über den weiteren Verlauf des Verfahrens. Der Richter hat folgende Möglichkeiten: Der Richter gibt den Parteien Gelegenheit, sich erneut schriftlich zu äußern (d. h. eine zweite Runde von Schriftsätzen) oder lädt die Parteien zu einer Anhörung ein. Der Richter erlässt ein Zwischenurteil mit der Bitte um zusätzliche Beweise oder ein Endurteil. Nach erfolgreicher Klärung der Ansprüche haben die Gläubiger das Recht, die Urteile zu vollstrecken, einschließlich Zwangsgelder und Anwaltskosten.

Rechtsgrundlagen:
Wenn der Antragsteller eine Forderung gegen den Schuldner hat, kann er ab 14 Tagen vor Einreichung der Klage eine Pfändung zur Sicherung der Forderung beantragen. Das Gericht kann die vorläufige Pfändung bewilligen, wenn es keine Zweifel an der Begründetheit der Forderung oder der Notwendigkeit der beantragten Pfändung hat, aber die begründete Befürchtung besteht, dass der Schuldner den gepfändeten Gegenstand in der Zeit zwischen der Ladung und der Entscheidung vor den Augen des pfändenden Gläubigers verbergen wird. Die vorläufige Pfändung ist in Artikel 700 der Zivilprozessordnung geregelt.

Verzugszinsen:
In den Niederlanden gibt es gesetzliche Handelszinsen und normale gesetzliche Zinsen. Grundsätzlich gilt der gesetzliche kommerzielle Zinssatz von 10,5 %, wenn ein Vertrag zwischen kommerziellen Parteien besteht. Für nicht gewerbliche Transaktionen beträgt der Zinssatz 4 %. Die Zinsen werden ab dem Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung berechnet. Die Parteien können in einer Vereinbarung auch einen vom gesetzlichen Handelszinssatz abweichenden Zinsbetrag vereinbaren.

Gerichtsgebühren und Kosten:
Das Gericht kann der unterlegenen Partei auferlegen, die der anderen Partei entstandenen Prozesskosten zu tragen. Dazu gehören z. B. die Kosten des Anwalts der obsiegenden Partei und die Gerichtsgebühren. Das Gericht legt die Höhe der Prozesskosten nach einem gestaffelten Schlüssel fest. Daher wird nur ein Teil der Kosten der obsiegenden Partei erstattet.

Folgekosten und Pfändungskosten, einschließlich der Gerichtsgebühren, können ebenfalls erstattungsfähig sein. Der Richter legt den Betrag fest.

Das Gericht berücksichtigt die Vereinbarung der Parteien, ist aber nicht verpflichtet, die Vereinbarung der Parteien zu beachten. Spricht das Gericht die Prozesskosten selbst zu, können sich die Parteien anschließend untereinander einigen.

Die obsiegende Partei kann die Prozesskosten von der unterlegenen Partei zurückfordern, muss sich aber an die gesetzliche Gebührenordnung halten.

Vollstreckungsverfahren:
In dem Gerichtsbeschluss stellt der Richter das Urteil fest. Dies gibt den Gläubigern das Recht, die notwendigen Zwangsmaßnahmen zu ergreifen, um die Entscheidung des Gerichts zu vollstrecken. Der Gerichtsvollzieher gibt dem Schuldner oft eine letzte Gelegenheit, innerhalb von zwei Tagen zu zahlen.

Rechtsbehelfe:
Parteien, die mit Gerichtsurteilen unzufrieden sind, können innerhalb bestimmter Fristen Berufung einlegen und eine Überprüfung durch höhere Gerichte beantragen. Die Parteien können bis zu drei Monate nach dem Urteil Berufung einlegen. Ist eine der Parteien mit der Entscheidung des Berufungsgerichts nicht einverstanden, kann sie innerhalb von drei Monaten nach der Entscheidung Kassationsbeschwerde beim Obersten Gerichtshof einlegen. Eine Kassationsbeschwerde ist ein Antrag an den Obersten Gerichtshof, ein früheres Gerichtsurteil aufzuheben. Auch hierfür ist ein Anwalt erforderlich. In den Niederlanden ist die Berufung ein Recht, und die Parteien benötigen keine Genehmigung.

Inkassobüros:
Um die ausstehenden Forderungen einzutreiben, wird sich an Inkassobüros, Gerichtsvollzieher oder Inkassoanwälte gewendet.

Diese dritten Parteien können Rechnungen im Namen des Gläubigers wie folgt eintreiben:

  • Ein Inkassobüro verschickt Briefe mit einer Zahlungsaufforderung, kann die Zahlung aber nicht erzwingen.
  • Ein Gerichtsvollzieher kann ein Gerichtsverfahren einleiten. Der Gerichtsvollzieher kann auch Zwangsmaßnahmen ergreifen, wie die Pfändung und den Verkauf von Waren des Schuldners. Dazu muss der Gerichtsvollzieher jedoch zunächst einen Gerichtsbeschluss erwirken. 
  • Ein Inkassoanwalt kann Mahnungen verschicken, eine Klage verfassen und den Konkurs des Schuldners beantragen.

Stellen Sie Ihre Fragen gerne in eigener Sprache? Dann steht unsere Leiterin des German Desks, Friederike Henke, Ihnen zur Verfügung – nehmen Sie gerne Kontakt auf.

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