International

Internationale Tätigkeitsbereiche

05-03-2025

Die neue Produkthaftungsrichtlinie: Was müssen Sie wissen?

Am 8. Dezember 2024 trat die neue Produkthaftungsrichtlinie  EU 2024/2853 (neue Richtlinie) in Kraft und ersetzte die Produkthaftungsrichtlinie von 1985 (vorherige Richtlinie). Die neue Regelung gilt für Produkte, die am oder nach dem 9. Dezember 2026, 24 Monate nach ihrem Inkrafttreten, auf den Markt gebracht werden. Die Überarbeitung zielt darauf ab, digitale Entwicklungen wie Software und KI zu berücksichtigen und Hindernisse für Verbraucher zu beseitigen, die Schadensersatz für durch fehlerhafte Produkte verursachte Schäden verlangen. In diesem Artikel werden die Grundprinzipien, die wichtigsten Änderungen und die Auswirkungen der neuen Richtlinie erläutert.

Grundprinzipien
Die neue Produkthaftungsrichtlinie gilt für alle Unternehmen, die Produkte in der EU auf den Markt bringen, einschließlich Hersteller und bestimmte weitere Beklagte (siehe unten). Sie bietet einen Rahmen für die Feststellung der Haftung für Schäden, die durch fehlerhafte Produkte verursacht werden. Ein Produkt gilt als fehlerhaft, wenn es nicht das Maß an Sicherheit bietet, das eine Person unter Berücksichtigung aller Umstände erwarten darf, oder wenn es nicht den Sicherheitsvorschriften der EU oder der Mitgliedstaaten entspricht – eine Ergänzung im Rahmen der neuen Richtlinie.

In Übereinstimmung mit der vorherigen Richtlinie behält die neue Richtlinie die strenge Haftung bei: Verbraucher müssen keine Fahrlässigkeit und kein Verschulden nachweisen, um Schadensersatz zu verlangen. Sie müssen lediglich Folgendes nachweisen: (1) einen Mangel; (2) einen Schaden; und (3) einen Kausalzusammenhang zwischen beiden. Die Haftung gilt jedoch nicht, wenn der Beklagte nachweisen kann, dass es wahrscheinlich ist, dass (a) der Mangel zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Produkts noch nicht bestand oder (b) der Mangel zum damaligen Stand der wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse nicht hätte erkannt werden können.

Wichtigste Änderungen
Software in der Definition von „Produkten“ enthalten
Eine bedeutende Neuerung ist die Aufnahme von Software in die Definition von „Produkten“. Dies umfasst eigenständige Software, in Geräte eingebettete Software, Software-Updates, Upgrades und KI-Systeme. Geräte, die mit dem Internet verbunden sind, wie z. B. solche, die auf Live-GPS-Daten angewiesen sind, fallen ebenfalls unter die neue Regelung. Hersteller können nun für fehlerhafte oder fehlende Software-Updates oder unzureichenden Cybersicherheitsschutz haftbar gemacht werden.

Weitere Beklagte
Die Haftung liegt in erster Linie beim Hersteller. Bei Herstellern außerhalb der EU kann die Haftung auf den Importeur oder den Bevollmächtigten des Herstellers übergehen. Wenn keiner von beiden verfügbar ist, können Fulfillment-Dienstleister haftbar gemacht werden. Wenn diese Parteien nicht identifiziert werden können, können Händler und Online-Plattformen unter bestimmten Bedingungen haftbar gemacht werden.

Erweiterte Schadensformen
Im Gegensatz zur vorherigen Richtlinie, die nur Personen- und Sachschäden abdeckte, erkennt die neue Richtlinie psychische Schäden und die Zerstörung oder Verfälschung personenbezogener Daten als ersatzfähigen Schaden an. Ansprüche wegen gestohlener Daten oder Datenlecks sind jedoch ausgeschlossen. Bei psychischen Schäden ist keine begleitende Körperverletzung erforderlich, sofern der Schaden medizinisch anerkannt ist.

Keine Schadensschwellen
Die neue Richtlinie beseitigt Mindest- und Höchstschwellen für die gerichtliche Durchsetzung von Haftungsansprüchen. Dies ermöglicht sowohl kleine Einzelklagen als auch Massenklagen, an denen zahlreiche Betroffene beteiligt sind, für die sich die Niederlande als attraktiver Gerichtsstand erwiesen haben.

Widerlegbare Vermutungen
Um die Verfahrensposition der Kläger zu stärken, führt die neue Richtlinie widerlegbare Vermutungen für Fehlerhaftigkeit und Kausalität ein:

  • Ein Produkt gilt als fehlerhaft, wenn:
    • es die verbindlichen Sicherheitsstandards, die den erlittenen Schaden verhindern sollen, nicht erfüllt;
    • es bei normaler oder vorhersehbarer Verwendung eindeutig nicht funktioniert oder
    • der Hersteller es versäumt, relevante Informationen wie erforderlich offenzulegen.
  • Kausalität wird vermutet, wenn das Produkt fehlerhaft ist und der Schaden mit den typischen Auswirkungen des Fehlers übereinstimmt.

Wenn der Nachweis der Fehlerhaftigkeit oder Kausalität übermäßig komplex ist (z. B. aufgrund technischer oder wissenschaftlicher Komplexität), müssen Kläger lediglich die Wahrscheinlichkeit einer Fehlerhaftigkeit und eines Kausalzusammenhangs nachweisen.

Übertragung von Ansprüchen
Das neue Produktsicherheitsgesetz erlaubt ausdrücklich die Übertragung oder Abtretung von Ansprüchen an Dritte. Verbraucherverbände und Nichtregierungsorganisationen können ebenfalls Ansprüche im Namen geschädigter Parteien geltend machen.

Verlängerte Verjährungsfrist
Für Personenschäden mit verzögert auftretenden Symptomen führt das neue Produktsicherheitsgesetz eine Verjährungsfrist von 25 Jahren ein. Die standardmäßige dreijährige Verjährungsfrist (ab Kenntnis des Anspruchs) und die zehnjährige Longstop-Frist (ab Inverkehrbringen des Produkts) bleiben ansonsten bestehen.

Offenlegungspflichten
Auf Antrag eines Klägers können Gerichte die Beklagten anweisen, „notwendige und verhältnismäßige“ Beweismittel (z. B. Dokumente) offenzulegen, wenn die Kläger einen „plausiblen“ Fall vorgelegt haben. Ziel ist es, (wahrgenommene) Informationsasymmetrien zwischen Verbrauchern und Herstellern zu beseitigen. Instrumente, um dies zu erreichen, gab es bereits im bestehenden niederländischen Prozessrecht.

Wie können wir Ihnen helfen?
Unser Team berät und prozessiert regelmäßig in Fragen der (potenziellen) Produkthaftung und hilft Ihnen gerne bei Fragen weiter. 

Stellen Sie Ihre Fragen gerne in eigener Sprache? Dann steht unsere Leiterin des German Desks, Friederike Henke, Ihnen zur Verfügung – nehmen Sie gerne Kontakt auf.

Ansprechpartner

Klaas van der Graaf

Partner | Lawyer
Senden Sie mir eine E-Mail
+31 (0)20 237 1101

Follow us!
Subscribe newsletter  LinkedIn

Anverwandte News & Updates