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30-11-2023

Geschäftsführer haftet persönlich für Vermögensentnahme

Am 7. November 2023 fällte das Berufungsgericht Arnheim-Leeuwarden (im Folgenden: Berufungsgericht) ein Urteil, in dem ein Geschäftsführer haftbar gemacht wurde, weil die von ihm geführte Gesellschaft ihre Verpflichtungen nicht erfüllt und der Geschäftsführer der Gesellschaft Vermögenswerte entzogen hatte. In diesem Artikel werden wir den Hintergrund dieses Urteils erläutern, den Verfahrensverlauf erörtern und die Erwägungen des Gerichts darlegen, die zu der Entscheidung führten, dass der Geschäftsführer haftbar war, weil ein hinreichend schweres persönliches Verschulden vorlag.

Hintergrund
In diesem Fall geht es um die Hotradio B.V. und ihren natürlichen Geschäftsführer (zusammen Hotradio), die als (indirekte) Geschäftsführer von Telecom Vision International B.V. (TVI) waren. Für den Leser mit deutschem Rechtsverständnis ist hier insbesondere relevant, dass Geschäftsführer im niederländischen Gesellschaftsrecht auch eine Gesellschaft sein kann.

Die Rechtsfrage ist, ob Hotradio für einen bei Trend Media Groep B.V. (TMG) entstandenen Schaden haftbar gemacht werden kann (können). Dieser Schaden ging daraus hervor, dass TVI gerichtlich festgestellte Verpflichtungen zur Zahlung eines Betrags von mehr als 205.000 Euro an TMG nicht erfüllt hat. Laut TMG haben Hotradio die Beitreibung der Forderung von TMG gegen TVI rechtswidrig vereitelt und haben sie für den hierdurch entstandenen Schaden persönlich zu haften.

Zwischenurteil - 18. Oktober 2022
Im Zwischenurteil vom 18. Oktober 2022 stellte das Berufungsgericht fest, dass bei einer Pflichtverletzung oder einer rechtswidrigen Handlung einer Gesellschaft zunächst nur die Gesellschaft für den daraus resultierenden Schaden haftet. Unter besonderen Umständen kann jedoch neben der Haftung der Gesellschaft auch die Haftung eines Geschäftsführers der Gesellschaft zutreffen. Voraussetzung für die Annahme einer solchen Haftung ist, dass der Geschäftsführer persönlich für das Fehlverhalten verantwortlich gemacht werden kann. Die Antwort auf die Frage, ob dem Geschäftsführer ein persönliches Verschulden angelastet werden kann, hängt von der Art und Schwere des Verstoßes gegen die Normen und den sonstigen Umständen des Falles ab. In diesem Zwischenurteil erörtert das Berufungsgericht die Anwendung der Beklamel-Norm und der Norm von Ontvanger/Roelofsen. Beide Normen sind im niederländischen Recht fest verankerte aus der Rechtsprechung entwicketle Begriffe, die in Haftungsfällen wie diesem zur Anwendung kommen.

Das Gericht ist der Auffassung, dass zwischen den Parteien unstreitig ist, dass die TVI ihrer Zahlungsverpflichtung aus einem früheren Gerichtsurteil nicht nachgekommen ist und auch nicht nachkommen wird, weil sie mangels Masse aufgelöst wurde. Insofern ist hinreichend nachgewiesen, dass sie ihren Verpflichtungen zur Zahlung von Schadensersatz an TMG nicht nachgekommen ist.

In diesem Zwischenurteil erlaubt das Berufungsgericht Hotradio, ihre Angaben zur Vermögensentwicklung und zur Vermögenslosigkeit des TVI von 2014 bis einschließlich zum Zeitpunkt der Auflösung detaillierter und konkreter zu erläutern. Dazu können Hotradio die erforderlichen Daten vorlegen, wie z. B. Jahresabschlüsse mit Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen.

Zwischenurteil - 14. März 2023
Im Zwischenurteil vom 14. März 2023 urteilte das Berufungsgericht dann, dass Hotradio keinen Jahresabschluss mit Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung sowie dazugehörigen Unterlagen vorgelegt hatten und insofern das Zwischenurteil vom 18. Oktober 2022 nicht erfüllt hatten. Sie haben jedoch Erklärungen in das Verfahren eingebracht, u.a. von dem früheren Wirtschaftsprüfer von Hotradio und TVI sowie eine Reihe von Schreiben der Steuerbehörden. Nach Ansicht von Hotradio sollten all diese Dokumente darlegen, dass es tatsächlich keine Vermögenswerte und Aktivitäten in TVI und Hotradio mehr gab. Die TMG gab zu diesen Unterlagen die erforderlichen Stellungnahmen ab. Diese bezogen sich im Wesentlichen darauf, dass noch keine Klarheit über den Verlauf des Umlaufvermögens in der TVI-Bilanz 2016 geschaffen wurde.

Urteil - 7. November 2023
Im Endurteil vom 7. November 2023 ging das Gericht schließlich davon aus, dass es im Wesentlichen um die Frage geht, ob der Posten des Umlaufvermögens, der in der Bilanz des TVI Ende 2017 mit einem niedrigeren Betrag als in der Bilanz 2016 ausgewiesen ist, eine unrechtmäßige Vermögensentnahme darstellt.

Das Gericht stellte fest, dass Hotradio  in der mündlichen Verhandlung vom 27. August 2023 nicht mehr oder andere Informationen vorgelegt haben, als sie bereits in einem früheren Stadium des Verfahrens vorgelegt hatten. Von ihrer Seite wurde in der mündlichen Verhandlung auch erklärt, dass sie nicht über mehr oder andere Informationen verfügten, weil Unterlagen mit Finanzdaten von TVI und Hotradio "weggeworfen" worden seien. Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist dies an sich ein Umstand, der zu Lasten von Hotradio als (indirekte) Geschäftsführer von TVI geht. Die Gesamtheit der von Hotradio vorgetragenen Tatsachen und Umstände reicht nach Ansicht des Berufungsgerichts nicht aus, um als hinreichend substantiiertes Bestreiten der Behauptungen von TMG gelten zu können.

TVI hatte also offenbar 2016 noch eine Forderung gegen Hotradio oder eine andere Partei in gleicher Höhe. Mangels gegenteiliger Erklärungen und ausreichender Einsicht von Hotradio  in die Entwicklung dieses Bilanzpostens und des Vermögens der TVI muss davon ausgegangen werden, dass Hotradio als Geschäftsführer der TVI entweder die TVI veranlasst hat, auf einen Großteil dieser Forderung durch Verzicht oder Abtretung zu verzichten, oder die Gegenforderung von Hotradio mit Mitteln der TVI bezahlt hat. In beiden Fällen hat Hotradio Vermögenswerte entzogen. Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist dies dem (indirekten) Geschäftsführer von Hotradio und TVI persönlich anzulasten.

Hierdurch wurde der TMG Schaden zugefügt, für den Hotradio als ehemalige Geschäftsführerin der TVI und der Geschäftsführer der Hotradio gesamtschuldnerisch haften. In Ermangelung von Anhaltspunkten, die auf eine andere Höhe und ein konkretes Bestreiten seitens Hotradio hindeuten, ist davon auszugehen, dass dieser Schaden der Höhe nach der Differenz zwischen der Forderung Ende 2016 und derjenigen Ende 2017 entspricht, d. h. einem Betrag von 181.051 Euro. Das Gericht spricht daher diesen Betrag als Schadenersatz zu.

Schlussfolgerung
Dieses Urteil zeigt, dass Gläubiger bei der Auflösung von Gesellschaften nicht immer mit leeren Händen und einer unbezahlten Forderung dastehen. Obwohl die Kriterien für die Haftung von Geschäftsführern streng sind und ein Geschäftsführer nicht ohne weiteres persönlich haftbar gemacht werden kann, bestätigt dieses Urteil, dass dieser unter bestimmten Umständen haftbar gemacht werden kann. Eine gute Lektion für Geschäftsführer, ist die Buchhaltung in Ordnung zu bringen und Rechenschaft über das Fehlen von Vermögenswerten zum Zeitpunkt der Auflösung abzulegen.

Dieser Text erschien zuvor als (niederländisches) Blog auf Restructuring & Recovery Online (HERO), HERO, Ruud Brunninkhuis und Ashley Snel 2023 / B-058.
https://www.online-hero.nl/art/4721/bestuurder-vanwege-onttrekking-persoonlijk-aansprakelijk

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