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04-06-2020

Rettungsaktionen und der Verkauf und Übertragung von verpfändeten Anteilen – Lehre aus dem neuesten NCC-Urteil

Im vergangenen Monat hat der NCC (Netherlands Commercial Court) sein jüngstes Urteil veröffentlicht. Es bezieht sich auf die IHC Group, eine Unternehmensgruppe die im Schiffbau und der Schiffentwicklung aktiv ist. Das Urteil ist Teil einer Rettungsaktion der IHC Group.

Die Anteile an einer der niederländischen Tochtergesellschaften, der IHC Merwede Holding B.V. (IHC Merwede), waren der Glas Trust Corporation Limited (Glas) verpfändet worden. In seinem jüngsten Urteil genehmigt der NCC den Verkauf und die Übertragung dieser verpfändeten Anteile. Wir werden Sie im Nachstehenden über die rechtlichen Hintergründe dieser Entscheidung informieren.

Hintergründe
Die IHC Group ist ein weltweit agierendes Unternehmen, das Schiffe und Schiffprodukte herstellt sowie Servicedienstleistungen in der Bagger- und Offshore-Industrie anbietet. IHC Merwede, deren Anteile verpfändet wurden, ist die oberste Holdinggesellschaft der IHC Group. Die Anteilseignerin der IHC Merwede ist ein Unternehmen mit dem Namen IHC B.V., eine im Eigentum von vier Anteilseignern stehende Anteilsgesellschaft.

Im Rahmen einer umfangreichen finanziellen Umstrukturierung im August 2019, hatte die Anteilseignerin der IHC Merwede ihre Anteile an der IHC Merwede an die Glas verpfändet. Mit dieser Sicherheit gewährleistete sie die rechtzeitige Erfüllung der aufgrund der Kreditverträge (Facility Agreements) existierenden Verpflichtungen einiger Gesellschaften der IHC Group.

Nach der obengenannten Umstrukturierung erlitt die IHC Group weitere Rückschläge. In diesem Zusammenhang forderte die IHC Merwede im Dezember 2019 zusätzliche Investitionen von ihrer unmittelbaren Anteilseignerin sowie von ihren mittelbaren Anteilseignern an. Diese zusätzlichen finanziellen Mittel wurden jedoch nicht bereitgestellt.

Aus diesem Grund kam die Geschäftsführung der IHC Merwede zu dem Schluss, dass die einzige Lösung für das zukünftige Bestehen der IHC Group, die nachfolgenden zentralen Elemente umfasse:

  1. Ein neuer strategischer Investor müsse ein Commitment (Verpflichtung) gegenüber der IHC Group abgeben, um das Vertrauen wiederherzustellen.
  2. Dieser Investor müsse einen erheblichen Eigenkapitalbeitrag leisten.
  3. Die derzeitigen Kreditgeber der IHC Group müssten sich mit einem Forderungsverzicht eines substanziellen Teils der ausstehenden Kredite einverstanden erklären.  

Während des M&A-Prozesses, zeigte eine Gruppe von Industriepartnern, die mit Großkunden der IHC Group in den Benelux Staaten verbunden waren (Industriekonsortium), ein konkretes Interesse daran, sich an der IHC Group zu beteiligen. Diese Investition sollte letztendlich eine Rettungsaktion sein. In der Zwischenzeit geriet die IHC Merwede, einige ihrer Tochtergesellschaften sowie ihre Anteilseignerin mit ihren Zahlungsverpflichtungen aus den Finanzierungsverträgen in Verzug.

Am 30. April 2020, einigten sich die derzeitigen Kreditgeber der IHC Group, das Industriekonsortium, mit Unterstützung von Atradius DSB, die niederländische Regierung und IHC Merwede auf eine Rettungsaktion für die IHC Group. Im Rahmen dieser Vereinbarung, sollten entweder die Anteile der IHC B.V. (die Anteilseignerin) oder der IHC Merwede (die oberste Holdinggesellschaft) an Stichting Continuïteit, eine Stiftung zur Sicherstellung und Überwachung der Kontinuität der IHC Group, übertragen werden. Sobald eine solche Übertragung an die Stichting Continuïteit stattgefunden hätte, würden die niederländische Regierung, das Industriekonsortium, die derzeitigen Kreditgeber der IHC und Atradius DSB der IHC Group Investitionen und andere finanzielle Unterstützungen zur Verfügung stellen.

Hinsichtlich der Übertragung der Anteile der IHC B.V. (die Anteilseignerin) wurde keine Einigung erzielt. Einfacher war es, sich auf den Verkauf und die Übertragung der Anteile der IHC Merwerde zu einigen. Diese Anteile waren jedoch verpfändet, sodass für den Verkauf und die Übertragung eine Zusammenarbeit mit Glas, der Pfandgläubigerin, erforderlich war.

Anfang Mai einigte sich die Pfandgläubigerin, Glas, mit Stichting Continuïteit über den Verkauf und die Übertragung aller Geschäftsanteile der IHC Merwede.

Nach niederländischem Gesellschaftsrecht kann ein Pfandgläubiger oder ein Pfandschuldner beim Gericht (um genau zu sein: dem Gericht des vorläufigen Rechtsschutzes) die Anordnung eines Pfandverkaufs beantragen, in einer Weise, die vom gesetzlichen Gebot der öffentlichen Versteigerung abweicht. Das bedeutet, dass gemäß einer solchen gerichtlichen Anordnung und auf ihrer Grundlage, die Anteile an eine niederländische Gesellschaft mit beschränkter Haftung (B.V., besloten vennootschap) freihändig verkauft und übertragen werden können.

In diesem Zusammenhang stellte die Pfandgläubigerin, Glas, beim NCC zur Durchsetzung ihres Pfandrechts, einen Antrag auf die gerichtliche Anordnung des freihändigen Verkaufs und der Übertragung der Anteile am Kapital der IHC Merwede an die Stichting Continuïteit (d.h.: gemäß den Bedingungen des Share Purchase Agreements (Anteilskaufvertrag) vom 4. Mai 2020). Der Antrag wurde am 4. Mai 2020 beim NCC eingereicht.

Das Urteil  
Zunächst möchten wir als Hinweis auf die Effektivität des NCC betonen, dass nachdem der Antrag am 4. Mai 2020 eingereicht wurde, die Genehmigung des NCC, nach einer am 12. Mai 2020 abgehaltenen Verhandlung per Telefonkonferenz, schon am 13. Mai 2020 erfolgte. Das vollumfängliche Urteil folgte am 26. Mai 2020, was bedeutet, dass unter Berücksichtigung der verschiedenen in diesem Zeitraum liegenden niederländischen Feiertage, das vollständige Verfahren innerhalb von 14 Tagen nach der Einreichung des Antrags abgeschlossen wurde.

Der NCC urteilte wie folgt: Es ist unstreitig, dass die IHC Group im Rahmen der Kreditverträge in Verzug ist und, dass Glas das Recht hat ihr Pfandrecht durchzusetzen. Nach [niederländischer] ständiger Rechtsprechung hat der NCC (und jedes andere niederländische Gericht) zu prüfen, ob die beantragte Alternative zur öffentlichen Versteigerung, zum Zeitpunkt der Einreichung des Antrags, den maximal möglichen Wert erzielen würde.

In diesem Zusammenhang stellte der NCC fest, dass laut dem Sale and Purchase Agreement (SPA) vom 4. Mai 2020, der Gegenwert der Anteile 1 EUR in bar beträgt und der Forderungsverzicht zu einer Reduzierung von 195 Millionen Euro an Verbindlichkeiten im Rahmen der Finanzierungsverträge führt.

In seiner Beurteilung nimmt der NCC ferner Bezug darauf, dass:

  1. es wahrscheinlich ist, dass sich unter Berücksichtigung der Struktur und der Komplexität der IHC Group und der Notwendigkeit weiterer Finanzierungen der Gruppe, durch einen freihändigen Verkauf ein höherer Preis erzielen lässt, als dies bei einer öffentlichen Versteigerung der Fall wäre,
  2. es keine Indizien dafür gibt, dass irgendein anderer Verkauf, als der geplante Privatverkauf, einen höheren Wert, als der Wert des Forderungsverzichts der mit der Rettungsaktion im Zusammenhang steht, erzielen würde, und
  3. eine große Anzahl von potenziellen Investoren aus der ganzen Welt benachrichtigt wurden, aber lediglich das Industriekonsortium ein konkretes Interesse an einer Investition in die IHC Group zeigte.

Der NCC entschied schließlich, dass der geplante freihändige Verkauf einen maximal möglichen Wert für die Anteile der IHC Merwede erzielen wird. Auf dieser Grundlage genehmigte das Gericht den Verkauf und die Übertragung der Anteile der IHC Merwede durch Glas an Stichting Continuïteit unter den Bedingungen des SPA vom 4. Mai 2020.

Sollten Sie Fragen haben oder unsere Unterstützung benötigen, zögern Sie bitte nicht einen unserer M&A- oder Banking- und Finance-Spezialisten zu kontaktieren.

Ansprechpartner

Friederike Henke

Leiterin German Desk | Advocaat & Rechtsanwältin
Senden Sie mir eine E-Mail
+31 20 333 8390

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